Kriegsende im Nord-Médoc 07

Autor: Erwin Kindsgrab

Inhaltsübersicht
Gefangennahme

 

carte

Etwa auf halbem Wege zwischen St. Vivien und Talais sind lediglich Einmannlöcher als Auffanglinie vorbereitet. Eine Gruppe von Sperrpunkt 7 mit einem MG wird an der Straße Le Verdon -Bordeaux östlich postiert; der Rest der Besatzung westlich in einem Stück Niederholz.

In der Nacht keine besonderen Vorkommnisse; gegen Morgengrauen französische Laute vor der Linie; die ersten französischen Angreifer nähern sich im Straßengraben. Unser MG an der linken Flanke schießt nicht; lässt den Angreifer bis auf gleiche Höhe kommen und ergibt sich. Die rechte Gruppe – darunter ich – beobachtet die Gefangennahme, macht sich aber nicht bemerkbar; die Franzosen untersuchen auch nicht das Nebengelände, sondern dringen nur beidseitig im Straßengraben weiter vor. Ein Bemerkbarmachen zum jetzigen Zeitpunkt scheint uns verhältnismäßig risikoreich: diese Voraustruppe hat eine nicht allzu vertrauenserweckende Zusammensetzung – von den einzelnen Offizieren und Sergeanten abgesehen fast ausschließlich farbige Soldaten (Senegalesen).

Einzug in die Festung, mittlerweile auf der Straße, geht in Massen weiter. Stunden später schon Gefechtslärm über Talais hinaus. Wir sind immer noch unentdeckt und wollen bis zur Übergabe rückwärtige Dienste, die möglicherweise ausschließlich aus Franzosen zusammengesetzt sind, abwarten. Dieses Vorhaben vereitelt unsere eigene schwere Artillerie. Die Batterien von 307 (Kal. 164mm?) schießen nach Karte genau auf diesen Punkt in der richtigen Annahme, dass hier an dem Kreuzungspunkt Straße Talais-Bordeaux und Talais-Stellung der Einzug der Angreifer in die Festung sein muss. Das Liegen im Artilleriefeuer ist noch unangenehmer als die Gefangennahme durch Senegal-Farbige.

In einer Feuerpause macht die Gruppe sich bemerkbar. Der Rücktransport – bewacht von Farbigen – ist mit der Umschreibung „mittelalterliches Spießrutenlaufen“ nur schwach angedeutet. Verständlich: die reinrückenden Farbigen sehen hier nun zum ersten Mal Deutsche und kommen gleichzeitig an den ersten Toten vorbei, die durch den Artillerieüberfall aus der Festung gefallen sind; darunter auch meine linke Gruppe, die sich – ohne einen Schuss abzugeben – vor gut einer Stunde ergeben hatte. Ein Volltreffer hatte den Gefangenenrücktransport erwischt.

Rücktransport auf den ehemaligen Bataillonsgefechtsstand nördlich von St. Vivien, auf dem jetzt ein französischer Stab eingerichtet war.

Durchsuchung und Vernehmung. Hier die immer wiederkehrende Nachforschung durch alle Franzosen: „Où est BERGER?“ Nach und nach sammeln sich weitere Gefangene. Fernbeschuss aus der Festung auf diese Stabsgebäude. Unter den Gefangenen keine Opfer mehr.

Gefangennahme

Sammeln der Gefangenen auf dem Sportplatz von St. Vivien unter freiem Himmel.

Einige Tage später – Gerüchte, die Festung ist gefallen – wird Korvetten-Kapitän BIRNBACHER von einem französischen Offizier begleitet vor den Sportplatz von St. Vivien geführt. Alle Gefangenen erheben sich und machen Front zu ihm. Er grüßt und salutiert. Er trägt noch das Ritterkreuz. Der franz. Offizier kommt ins Lager und holt mich raus. Er gibt uns in einem nahegelegenen Haus Gelegenheit, allein miteinander zu sprechen.

BIRNBACHER will sich über das Schicksal seiner Leute unterrichten und ich erfahre durch ihn den weiteren Verlauf der Verteidigung, die ich nicht mehr miterlebte.

Wir mussten es als äußerst korrekt bewerten, dass dieser französische Offizier dem Wunsch BIRNBACHERs nachkam, sich vom Schicksal seiner Leute überzeugen zu können – wusste er doch, dass er in B. den Mann vor sich hatte, der den Widerstand bis zum letzten Punkt der Festung in der Hand hatte und sich quasi als Allerletzter ergeben hat (oder gerade deshalb). Birnbacher hatte eine Wunde am linken Ohr: ihm war bei der Gefangennahme das Ritterkreuz (erhalten als Flottillenchef einer Schnellbootflottille im Mittelmeer) abgerissen und um die Ohren geschlagen worden. Dieser Offizier nun hat sich später dafür entschuldigt und unter requirierten Kriegsauszeichnungen ein EKII gefunden und zusammen mit einem Couleurband wieder an BIRNBACHER als Ersatz übergeben.

BIRNBACHER skizzierte den Rückzug etwas so: Zusammenfassung des Widerstands am 16.4. hinter der Linie von TALAIS, teilweise über den zustehenden Befehlsbereich seines Bataillons hinaus. Festsetzung am „PANZERGRABEN“ (zwischen Talais und Soulac). Nochmaliger alliierter Luftangriff – besonders auch am Panzergraben – mit ca. 1300 viermotorigen Maschinen. Bombardierung von See mit zum Teil schweren Schiffseinheiten.

Am 17. Rückzug auf SOULAC. Ein Teil der Leute lässt sich durchsacken. Um BIRNBACHER konzentriert sich der Widerstand. Am 18.4. Aufgabe von Befehlsbunker 312. BIRNBACHER zieht sich auf 305. Dazwischen immer wieder Kapitulationsaufforderungen. BIRNBACHER lehnt ab. Am 19.4. fällt 307. Der Angreifer ist mittlerweile in Le VERDON.

PRAHL und BERGER brechen den Widerstand ab und ergeben sich. BIRNBACHER hält sich weiter auf 305. Erst nach konzentrierter Beschießung am Frühabend des 20.4. gibt BIRNBACHER auf.

Ich höre von BIRNBACHER die Füsilierung von Fregatten-Kapitän Edler von BERGER nach der Gefangennahme. Nun sah ich einen Zusammenhang zwischen den andauernden Fragen: „Où est BERGER?“

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aus seinem Kriegsbericht zum Ende der Festung Gironde Süd; der Text satmmt aus eines unebkannten Quelle und ist auch nicht vollständig. Für genauere Informationen dazu wären wir dankbar! Für die Wiedergabe in Médoc acif wurde er leicht gekürzt.