Behindertenschach
Im kollektiven Bewusstsein gilt Schach oft eher als eine elitäre kulturelle Aktivität denn als Sport. Dennoch gewinnt Schach als Sportart zunehmend an Beliebtheit. Dieses Spiel erfordert Logik, Strategie, Disziplin und Abstraktionsvermögen.
Ich bin 55 Jahre alt und stamme aus der Charente; seit 2009 lebe ich im Médoc. Früher war ich Handelsvertreter, Manager, Ausbilder, Prüfer und habe in verschiedenen Schulen gearbeitet. Nach meiner Krebserkrankung im Jahr 2016 konnte ich leider nicht mehr arbeiten. Meine Fähigkeiten waren nicht mehr dieselben, und ich wurde vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Das Schachspielen hat mir geholfen, meine kognitiven Fähigkeiten, die ich durch die Chemotherapie verloren hatte, wiederzuerlangen, und es hat mir geholfen, meine Konzentration zu verbessern. Es hat mir das Selbstvertrauen gegeben, wieder auf andere Weise nützlich zu sein, und ich engagiere mich nun stark in der Freiwilligenarbeit.
Mein Interesse am Thema Behinderung wurde geweckt, als ich das Label "Valides Handicap" beim CDOS beantragte. Aufgrund meiner eigenen Krankheit und der Chemotherapie gehöre ich zu den 80 % der Unsichtbaren unter den Behinderten. Diese Unsichtbarkeit hat mich bei dem Versuch, wieder zu arbeiten, stark belastet.
Als wir ins Médoc zogen, wollte mein Mann Alain, der in seiner Jugend in einem Schachclub gespielt hatte, wieder mit dem Schachspielen anfangen und an Wettkämpfen teilnehmen. Der nächstgelegene Club im Médoc war der Club in Lesparre: l'Echiquier Médocain. Spieler aus dem gesamten Médoc kommen hierher, und die Atmosphäre ist familiär und international geprägt.
Ich selbst wollte mich weiterbilden, um meine Geschicklichkeit wiederzuerlangen. Ich entdeckte kostenlose Fortbildungen zum Thema Behinderung sowie Online-Kurse über Autismus, um meine Kenntnisse zu vertiefen. Diese Kenntnisse haben mir geholfen, bestimmte Anzeichen bei Schachspielern im Verein oder bei Treffen zu erkennen und meine Herangehensweise anzupassen.
Eine prägende Erfahrung hatte ich in einem Verein "Sport für alle". Ich unterhielt mich mit einem jungen Mädchen, das im Rollstuhl saß und stark behindert war, über ihre Schulzeit. Später erfuhr ich, dass sie in Wirklichkeit eine junge Frau um die 30 war, die den Körper eines Teenagers hatte.
Es hat mich sehr gefreut zu sehen, wie ein junger Teenager mit Autismus bei einem jährlichen Turnier des Clubs ein Unentschieden gegen einen Großmeister erzielte, was die Gleichheit auf dem Schachbrett unterstreicht.
Ein weiteres schönes Erlebnis war es, einen paralympischen Fußballer aus Pessac kennenzulernen, der auf seinen Kleinbus wartete. Unsere Vereinspräsidentin hatte ihn in das Schachspiel eingeführt, und sein Lächeln war das schönste Geschenk des Tages.
Schachspielen ist der beste Sport, um das Gehirn zu trainieren. Es verbessert die Beobachtungsgabe, das Denkvermögen, die Konzentration, die Problemlösungsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen und die Fähigkeit, Strategien gegenüber dem Gegner zu antizipieren.
Das Spiel trägt zur Verbesserung der Fähigkeiten und zur Entwicklung des Selbstvertrauens bei, baut Stress und Ängste ab und fördert die Kommunikationsfähigkeit sowie den Respekt vor anderen. Es ist ein Raum für den Dialog zwischen zwei Spielern, der nicht unbedingt verbal stattfindet, sondern eine Einladung zum Austausch rund um ein Schachbrett darstellt.
2024 Agnès Chaumier, Moulis-en-Médoc