Der Schatz der Abtei

 

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1. Der im Médoc einzigartige Chorumgang, der schon so viele Pilger auf dem Weg zum Sternenfeld von Compostella gesehen hat, scheint vollständig verlassen. Sarah Wiame, die 2009 in den benachbarten Räumen der Abtei eine Ausstellung ihrer Bilder vorbereitet, streift mit ihren Augen gedankenverloren das nackte Mauerwerk. Römische Ziffern scheinen sich hierher verirrt zu haben. Sie sind die einzigen letzten Spuren eines einstigen Kreuzweges, der die Gläubigen an das Leiden Christi erinnerte.
Ils sont les seuls témoins du chemin de croix qui, jadis, rappelait aux fidèles la Passion du Christ.
Der Bürgermeister von Vertheuil, Rémi Jaris, öffnet auf Drängen von Sarah die Sakristei, die seit Jahrzehnten als Abstellraum genutzt wird. Großes Staunen: 14 Tafeln, Malereien auf Eisenblech zeigen sich dem Blick. Starke Szenen mit anschaulichen Details, großartige Personendarstellungen mildtätigen oder grausamen Charakters, in kräftigem Stil, in Gold und Zinnober, Schwarzbraun und Grün, Himmelblau und Gelb...
Des scènes puissantes, aux détails évocateurs, des personnages magnifiques d'humanité ou de cruauté, des tons affirmés, or et cinabre, bistre et sinople, céruléen et flavescent...
Sarah - erschüttert und überwältigt - versteht sofort, dass sich in diesen, von einem unbekannten Maler vor fast zwei Jahrhunderten geschaffenen Tafeln, die Erklärung finden wird: Wer in diese eher nüchterne Kirche eintrat, wurde von einem Gefühl des Absoluten, der Gelassenheit, der tiefen Harmonie, der Bedeutsamkeit ergriffen.
In Sarah reift die Entscheidung, ihre Version zu dem Mysterium beizutragen, das schon seit zweitausend Jahren das Grundgerüst aller christlichen Spiritualität darstellt. Der anonyme Maler wird ihr Ehrengast. Mit ihm will sie den Blick für eine zeitgenössische Version einer Geschichte kreuzen, die die Grundlage unserer christlichen Zivilisation darstellt.

Michèle Morlan-Tardat (Vertheuil), Übersetzung: Christian Büttner/Elke Schwichtenberg

2. Um die Ausstellung 2010 "Regards croisées" zu vervollständigen, habe ich Dichter und Maler zur Mitarbeit eingeladen. Alain Péclard (Skulpteur) hat den Kreuzweg bereits zum Zeitpunkt seiner Entdeckung gesehen. Er hat sich für eine Installation entschieden, die eine Mischung aus Skulptur und Malerei ist. Eva Gallizi (Holzgravur) stellt primitive und archaische Skulpturen zum Thema "Gestühl der Abtei" vor, mit Tinte und Pastell hat Basil Péclard seine Licht-und-Schatten-Architekturen realisiert, Sylvie Latrille ist mit einer Reihe von Gedichten zu den Themen "Sonnenwasser" und "Der Hockende" vertreten, Michèlle Morlan-Tardat mit einem Text über die Abtei "La nuit du patrimoine" und einer Gedichtreihe "Allons enfants..." und Muriel Verstichel hat eine Serie von 14 Gedichten geschaffen: "Die XIV Sationen des Kreuzweges", aus denen ich ein Kunstbuch entwickelt habe.

2011 Sarah Wiame (Paris), Übersetzung: Christian Büttner/Elke Schwichtenberg